Meine Online-Welt und ich
Sechs Wochen Facebook-Fasten haben mich nachdenklich gemacht. In meinem Kopf kreisen eine Menge Gedanken zu meiner Internet-Nutzung, nicht nur allein zu Facebook, sondern auch dazu, wie meine Online-Welt überhaupt zu dem geworden ist, was sie ist.
Im Internet bin ich in erster Linie Konsument. Vor allen Dingen konsumiere ich Inhalte und Produkte. Mein Internet kennt mich. Es schlägt mir Inhalte vor, die mir gefallen könnten, gleichzeitig auch Produkte, die ich benötigen könnte. In meiner Online-Welt lese ich Artikel, die mir bei Facebook empfohlen werden, schaue Videos, von denen Youtube denkt, dass sie mir gefallen könnten und nicht zuletzt kaufe ich Produkte, die mir auf Werbebannern eingeblendet werden.
Wer ist eigentlich meine Online-Welt?
Meine Online-Welt ist sportlich, interessiert sich für Ernährung und macht sich gerne Gedanken über das Leben. Das Internet suggeriert mir, dass es viele andere Menschen gibt, die genau das gleiche tun. Und ja, ich weiß die Vorteile dessen wirklich zu schätzen! Ohne soziale Netzwerke wäre ich wahrscheinlich vor etwas mehr als einem Jahr nicht beim Laufen dran geblieben. Nicht nur, dass ich über diese Netzwerke viele großartige Menschen getroffen habe und von vielen Laufveranstaltungen erfahren habe, die sonst nie meinen Weg gekreuzt hätten.
Gleichzeitig hat mir meine Online-Welt auch Rückhalt gegeben, wenn mich mein Offline-Umfeld mal wieder für verrückt erklärt hat, weil ich beispielsweise mal wieder lieber früh ins Bett gegangen bin, um am nächsten Tag fit für einen Lauf zu sein, anstatt die Nacht zum Tag zu machen. Denn mein Internet hat mir gezeigt, dass es da draußen noch mehr Menschen mit den gleichen Prioritäten gibt. Vielmehr noch, inzwischen tummeln sich in meinem Internet viel mehr Menschen, die genauso sind wie ich. In Wirklichkeit sind es nämlich die anderen, die komisch sind.
Der Ursprung meiner Online-Welt
Meine Online-Welt habe ich mir selbst erschaffen. Durch Likes und Kudos, die ich verteilt habe, durch Webseiten die ich besucht habe, und durch Produkte, die ich gekauft habe. Zumindest ist es das, was ich gerne glauben möchte. Oder ist es vielleicht doch die Welt um mich herum, die mich erschaffen hat? Wenn ich mich in meiner Wohnung umschaue, entdecke ich dort zugegebenermaßen doch das eine oder andere Produkt, dass ich nur gekauft habe, weil mein Internet der Ansicht war, dass es mir gefallen könnte. Ja, ich mag personalisierte Werbung, da habe ich noch nie ein Geheimnis daraus gemacht. So bekomme ich Produkte präsentiert, die mir gefallen könnten.
Gleiches mit den Artikeln, die ich lese – wie viele Artikel im Internet lese ich wirklich noch, weil ich mich bewusst dazu entschieden habe? Noch schlimmer ist es mit Youtube. Youtube scheint genau zu wissen, was mir gefällt. Schaue ich ein Video, wird anschließend direkt das nächste Video abgespielt, dass mir vielleicht gefallen könnte. Ich entdecke auf diese Weise viele spannende Themen, das ist Fakt. Gleichzeitig verliere ich auf diese Weise teilweise den Fokus auf die Themen, mit denen ich mich ursprünglich beschäftigen wollte. Und plötzlich habe ich wieder ein spannendes Thema mehr, das mich interessiert, weil Youtube es sogar vor mir wusste. Plötzlich landet ein neues Produkt in meinem Einkaufswagen in einem großen Online-Shop, da dieser Shop genau wusste, welches Produkt ich zusätzlich benötigen könnte.
Bin ich in meiner Online-Welt noch autonom?
Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr frage ich mich, wo meine Autonomie geblieben ist. Wie sehr entscheide ich noch selbst, was ich konsumiere? Eigentlich sollte es doch so sein, dass ich bewusst eine Entscheidung dafür treffe, womit ich meine Zeit im Internet verbringe (also z.B. welche Artikel ich lese) oder welche Produkte ich kaufe. Stattdessen kommt es regelmäßig vor, dass ich zwar auf der Suche nach einer bestimmten Information oder einem bestimmten Produkt online gegangen bin, letzten Endes jedoch einen Großteil meiner Zeit damit verbracht habe, andere Inhalte zu konsumieren, als ursprünglich geplant. Natürlich haben sie mich interessiert während ich sie konsumiert habe. Aber habe ich dadurch einen echten Mehrwert? Wenn ich ehrlich darüber nachdenke, wahrscheinlich eher nicht.
Ich will meine Freiheit zurück!
Wenn ich mich so umschaue, suggeriert zumindest mein Internet mir, dass ich kein Einzelfall bin. Dass ich umgeben bin von noch mehr Menschen, die mehr unbewusst als bewusst konsumieren.
Jetzt ist es meine eigene Entscheidung, wie ich weiter damit umgehe. Wer mich kennt, weiß wie wichtig mir meine Freiheit ist. Und ich möchte meine Freiheit zurück, eigene Entscheidungen zu treffen. Ich möchte weniger unbewusst und mehr bewusst konsumieren. Und ich bin gespannt, wie lange es dauern wird, bis ich an diesem Punkt angekommen bin.