Maraton de la Habana (Marabana) – Sommerregen im November
Im November merkt man, dass die Laufsaison sich langsam dem Ende neigt. Einen schönen Lauf für meine Medaillen-Challenge zu finden, gestaltete sich schwieriger, als in den Sommermonaten. Glücklicherweise war Marcel auf den Maraton de la Habana (kurz Marabana) gestoßen, so dass wir auf diese Weise sogar im November noch ein wenig Sonne tanken konnten.
Hier nun also meine Erfahrungen von dem Lauf, für den ich bisher die längste Reise auf mich genommen habe.
Tropische Startzeiten beim Marabana
Es ist 4:30 Uhr als der Wecker klingelt. Draußen höre ich den Regen und stelle erst einmal die Klimaanlage aus. Auf Frühstück habe ich um diese Uhrzeit irgendwie keine Lust und bleibe noch ein wenig liegen.
Nach 10 Tagen Kuba bei etwa 30 Grad bin ich dankbar über den Regen. Denn obwohl der Start des Marabana bereits um 6:30 Uhr erfolgen soll, habe ich doch Respekt vor der Strecke bei den kubanischen Temperaturen.
Eine Banane schaffe ich immerhin vorm Start zu essen, das restliche Frühstück packe ich mir in Form von zwei Gels in meine Tasche. Eine neue Bestzeit wird es ohnehin nicht werden, daher ist es auch nicht so tragisch, wenn die Vorbereitung mal nicht so optimal ist.
Es ist noch dunkel, als wir um Viertel nach 6 die Startlinie erreichen. Hier haben sich bereits tausende Läufer für den Maraton de la Habana eingefunden. Unser Timing ist perfekt, denn gerade als wir ankommen, werden die schnellen Läufer in dem Startblock nach vorne gelassen. Wir nutzen das Durcheinander, um uns direkt vorne mit einzureihen. Nur ein paar Minuten später und wir hätten wahrscheinlich ganz hinten im Feld starten müssen. Bei mehreren tausend Startern (alle Distanzen de Marabana starten zur selben Uhrzeit) wäre dies sicherlich mit einigem Zickzack verbunden gewesen.
Wir sind größtenteils umgeben von kubanischen Läufern. Teure Funktionskleidung und neue Schuhe sucht man hier vergebens. Neben mir startet ein älterer Mann in Chucks. Offensichtlich ist selbst an der Startlinie die Zweiklassengesellschaft deutlich spürbar. Ich möchte noch einmal kontrollieren, ob meine Schuhe richtig gebunden sind, aber dazu ist das Gedrängel so dicht vor der Startlinie zu groß. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als auf den Startschuss zu warten und zu hoffen, dass ich beim Anziehen der Schuhe an einen Doppelknoten gedacht habe.
Wasser aus allen Richtungen
Endlich ist es so weit und das Rennen beginnt. Inzwischen ist die Sonne aufgegangen. Aufgrund der Wolken dieses Mal jedoch ohne spektakuläres Farbspiel. Dafür ist es zur Abwechslung sogar trocken. Es geht in Richtung Malécon, wo das Wasser nun von oben direkt vom Meer kommt. Die meterhohen Wellen, die uns hier erwarten, sind beeindruckend. Ich bin hin und her gerissen, ob es eine willkommene Erfrischung ist, von einer der Wellen erwischt zu werden, oder ob ich lieber auf die Salzdusche verzichten möchte. Doch mit konstantem Tempo komme ich den Wellen doch nicht nah genug, um vor der Entscheidung zu stehen. Die Willkür der Gezeiten scheint ein Spiel mit den Läufern zu spielen und ich genieße das Schauspiel, das sich uns bietet. Der Blick nach rechts offenbart einen Regenbogen über dem Meer und ich frage mich, wie viele der anderen Läufer diesen wohl bemerkt haben.
Nach ein paar Kilometern fängt die schwülwarme Luft über den Straßen Havannas jedoch an, anstrengend zu werden. Wir sind erst wenige Kilometer unterwegs und ich merke, dass ich bei den langsam steigenden Temperaturen mit meinen Energien haushalten muss. Jetzt wünsche ich mir den nächtlichen Regen zurück.
Glücklicherweise stimmt die Getränkeversorgung auf der Strecke. Während der erste Getränkeposten offensichtlich noch nicht mit den schnellen Läufern gerechnet hatte, gibt es ab Kilometer 6 regelmäßig Wasser in Flaschen. Sogar ein buntes Getränk in Tetrapacks wird an manchen Getränkeposten angeboten, allerdings habe ich wenig Lust auf Experimente.
Mit dem Ende des Malécon ist es auch vorbei mit Laufen im Trockenen. Zunächst startet ein leichter Nieselregen, der jedoch schnell stärker wird. Ab Kilometer 10 regnet es in Strömen. Obwohl meine Schuhe für Regen nicht optimal sind, freue ich mich über die Abkühlung. Tatsächlich gibt es plötzlich Momente, in denen mir eher zu kalt als zu warm ist. Und während ich laufe, kann ich mir kaum etwas schöneres vorstellen, als tropischen Sommerregen im November.
Weiter geht es durch die Straßen Havannas. Wie durch ein Wunder schaffen es die Helfer stets, dass die Autos auf den breiten Straßen rechtzeitig anhalten, wenn in Richtung Kreuzung kommen. Ein paar Mal erscheint es zwar ein wenig knapp, jedoch werden wir kein einziges Mal ausgebremst.
Meine minimalen Spanischkenntnisse ermöglichen immerhin die eine oder andere kurze Unterhaltung auf der Strecke. Denn tatsächlich sind kubanische Läufer bei diesem Lauf in der Überzahl. Von etwa 4000 Startern sind etwa 1300 internationale Läufer vor Ort. Dies mag auch an den Startgebühren liegen. Während Kubaner bei diesem Lauf kostenlos starten dürfen, haben die meisten internationalen Läufer unabhängig von der Distanz zwischen 80 und 100 Euro zahlen müssen. Auch hier scheint die touristische Parallelwelt offensichtlich keinen Halt zu machen.
Die letzten Kilometer des Marabana vergehen wie im Flug und ein glückliches Gefühl durchströmt mich, als ich die Ziellinie überquere und meine Medaille in Empfang nehme. Pünktlich im Ziel hört auch der Regen auf und ich bin froh, nicht wie die Marathonläufer noch eine zweite Runde im Trockenen laufen zu müssen.
Die Parallelwelt nach der Ziellinie
Im Ziel erwartet mich, was ich in zahlreichen Berichten bereits gelesen hatte. Ich werde belagert von kubanischen Läufern, die mich abwechselnd nach meiner Kappe und nach meinen Laufschuhen fragen. Leider brauche ich beides noch für meine letzten Tage in Kuba, so dass sie leider leer ausgehen.
Kurz nach mir trifft auch Marcel im Ziel ein. Er hatte auf der Strecke ein paar Probleme mit seiner Achillessehne und musste daher das Tempo reduzieren. Im Zielbereich gibt es zum Glück direkt Eis, um die Sehne zu kühlen und auch Wasserflaschen sind in ausreichendem Maß vorhanden. So nehmen wir gemütlich auf einer Bank Platz und beobachten noch ein wenig die weiteren Läufer, während wir auf die Ergebnisse warten.
Immerhin für einen 2. Platz in der Altersklasse hat mein entspannter Lauf dieses Mal gereicht. Um 12 Uhr soll die Siegerehrung sein. Die Zeit reicht, um uns umzuziehen. Als wir kurz vor 12 wieder zurück sind, sehen wir gerade noch das Ende der Siegerehrung und wie bereits alles abgebaut wird. Dank eines hilfreichen Kubaners, dessen Englischkenntnisse meine Spanischkenntnisse übersteigen, erhalten wir die Information, dass die Preise für die Altersklassen ohnehin erst in einer Woche abgeholt werden können. Das Bild der bis zu diesem Zeitpunkt doch recht perfekten Organisation des Marabana beginnt ein wenig zu wackeln. Doch auch weiteres Nachfragen ändert nichts an der Situation.
Mit einem Souvenir weniger als erhofft machen wir uns zwei Tage später wieder auf den Rückweg ins kalte Deutschland. Was bleibt sind die Erinnerungen an einen großartigen Lauf. Denn auch fernab von neuen Bestzeiten gibt es eine Welt, in der ich jeden Meter dieser Strecke genießen konnte. Und die Medaille des Maraton de la Habana reiht sich farbenfroh neben den anderen Medaillen an der Wand ein.